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Selbstverletzendes Verhalten ist ein oft missverstandenes und komplexes Thema, das für Betroffene eine Form der Bewältigung von inneren Spannungen und emotionalem Schmerz darstellt. Menschen, die sich selbst verletzen, tun dies häufig nicht, um Aufmerksamkeit zu erregen, sondern weil sie keinen anderen Weg finden, mit belastenden Gefühlen oder Situationen umzugehen. Für Außenstehende – insbesondere für Ersthelfer und Menschen in unterstützender Funktion – kann der Umgang mit selbstverletzendem Verhalten herausfordernd sein. Es ist eine Situation, die emotionale Stabilität, Einfühlungsvermögen und ein tiefes Verständnis für psychische Gesundheit erfordert.
MHFA Ersthelfer (Mental Health First Aid) stehen in solchen Momenten vor der Aufgabe, deeskalierend zu wirken und die betroffene Person in einer sensiblen, respektvollen Weise zu unterstützen. Doch wie geht man als MHFA Ersthelfer vor, um die Situation zu beruhigen und der Person Hilfe anzubieten, ohne dabei Grenzen zu überschreiten oder Druck auszuüben? Der Umgang mit selbstverletzendem Verhalten erfordert spezialisierte Ansätze und ein Bewusstsein für die emotionalen Bedürfnisse der betroffenen Person.
In diesem Artikel erfahren MHFA Ersthelfer, wie sie selbstverletzendes Verhalten erkennen, ihre Rolle klar definieren und praktische Schritte zur Deeskalation einsetzen können. Ziel ist es, Ersthelfern Werkzeuge an die Hand zu geben, die ihnen helfen, sicher und kompetent zu handeln, die betroffene Person zu unterstützen und gleichzeitig auf die eigenen Grenzen und Bedürfnisse zu achten.
Was ist selbstverletzendes Verhalten?
Selbstverletzendes Verhalten beschreibt die absichtliche Zufügung von körperlichem Schmerz oder Schaden an sich selbst, ohne die Absicht, sich das Leben zu nehmen. Für viele Betroffene dient es als Ventil, um überwältigende emotionale Spannungen, innere Konflikte oder das Gefühl von Leere zu bewältigen. Es handelt sich dabei um ein Verhaltensmuster, das in der Regel heimlich stattfindet und oft von Schuld- und Schamgefühlen begleitet wird.
Definition und Formen
Selbstverletzendes Verhalten umfasst verschiedene Methoden, mit denen sich Betroffene selbst Schmerzen zufügen. Die häufigsten Formen sind:
- Schneiden (Cutting): Das Zufügen von Schnitten mit scharfen Gegenständen an verschiedenen Körperstellen.
- Schlagen oder Stoßen: Das Schlagen des eigenen Körpers gegen harte Oberflächen oder das Schlagen auf bestimmte Körperteile, um Blutergüsse zu verursachen.
- Verbrennen: Die Verwendung von Feuerzeugen, heißen Gegenständen oder Chemikalien, um Verbrennungen zu erzeugen.
- Haar- und Hautzupfen: Zupfen von Haaren oder Hautstellen, um körperlichen Schmerz oder sichtbare Schäden zu verursachen.
- Kratzen und Beißen: Intensive Kratzbewegungen oder Beißen des eigenen Körpers, oft bis es zu Blutungen kommt.
Diese Verhaltensweisen sind für Außenstehende schwer zu verstehen und können ein Zeichen tieferliegender psychischer Probleme sein. Es ist wichtig zu wissen, dass selbstverletzendes Verhalten in der Regel nicht auf die Absicht abzielt, sich das Leben zu nehmen, sondern als eine Bewältigungsstrategie eingesetzt wird.
Ursachen und Motive
Die Gründe, warum Menschen sich selbst verletzen, sind vielfältig und oft tief verwurzelt. Häufige Ursachen und Motive sind:
- Emotionale Regulation: Selbstverletzung kann dabei helfen, intensive Gefühle wie Wut, Trauer, Scham oder Angst abzubauen oder vorübergehend zu lindern.
- Gefühl von Kontrolle: Für manche Betroffene ist die Selbstverletzung eine Möglichkeit, über ihren eigenen Körper Kontrolle auszuüben, wenn sie in anderen Lebensbereichen das Gefühl von Kontrolle verloren haben.
- Ablenkung von emotionalem Schmerz: Selbstverletzung lenkt von psychischem Schmerz ab und verlagert den Fokus auf den körperlichen Schmerz.
- Selbstbestrafung: Einige Menschen sehen Selbstverletzung als eine Form der Bestrafung, da sie aufgrund von Schuldgefühlen oder niedrigem Selbstwertgefühl das Bedürfnis verspüren, sich selbst zu schaden.
Mythen und Missverständnisse
Selbstverletzendes Verhalten ist oft von Missverständnissen und Vorurteilen geprägt, die zu zusätzlicher Stigmatisierung führen können:
- Mythos 1: Selbstverletzung ist ein Zeichen von Aufmerksamkeitssuche. In den meisten Fällen versuchen Betroffene, ihre Verletzungen zu verstecken und empfinden Scham. Es geht oft weniger um Aufmerksamkeit, sondern um ein inneres Bedürfnis nach Schmerzbewältigung.
- Mythos 2: Selbstverletzung bedeutet, dass die Person suizidal ist. Selbstverletzung ist nicht gleichbedeutend mit Suizidalität. Für viele Betroffene ist es ein Versuch, mit schwierigen Gefühlen umzugehen, ohne das Ziel, ihr Leben zu beenden. Allerdings kann es auf psychische Belastungen hindeuten, die eine professionelle Unterstützung erfordern.
- Mythos 3: Nur Teenager verletzen sich selbst. Selbstverletzendes Verhalten kommt in allen Altersgruppen vor, auch wenn es häufig in der Jugend beginnt.
Die Entkräftung dieser Mythen ist besonders wichtig für Ersthelfer, um die Bedürfnisse von Betroffenen besser zu verstehen und ihnen ohne Vorurteile zu begegnen.
Die Rolle von MHFA Ersthelfern bei selbstverletzendem Verhalten
MHFA: Ein Überblick
Mental Health First Aid (MHFA) – die Erste Hilfe für psychische Gesundheit – ist ein Konzept, das Menschen darauf vorbereitet, in Krisensituationen bei psychischen Problemen unterstützend zu handeln. MHFA Ersthelfer sind darin geschult, Anzeichen von psychischen Problemen oder Krisen zu erkennen und angemessen zu reagieren. Sie bieten Betroffenen in schwierigen Momenten erste Unterstützung, bis professionelle Hilfe eintrifft oder die Krise sich entschärft. Die Ausbildung von MHFA Ersthelfern umfasst grundlegende Kenntnisse über psychische Erkrankungen und vermittelt Strategien, um deeskalierend und stabilisierend zu wirken, ohne therapeutische Verantwortung zu übernehmen.
Warum Selbstverletzung spezielle Sensibilität erfordert
Selbstverletzendes Verhalten ist ein komplexes Thema, das sehr viel Einfühlungsvermögen und spezifische Kommunikationsfähigkeiten erfordert. Menschen, die sich selbst verletzen, haben häufig das Bedürfnis nach Verständnis und Unterstützung, ohne verurteilt zu werden. Das Thema ist oft von Scham, Schuldgefühlen und der Angst begleitet, missverstanden zu werden. Daher ist es für MHFA Ersthelfer entscheidend, mit einer besonderen Sensibilität an die Situation heranzugehen, da falsche oder wertende Reaktionen die Situation verschlimmern und das Vertrauen des Betroffenen beeinträchtigen könnten.
Einfühlungsvermögen und Nichtverurteilung als Schlüsselkompetenzen
Einfühlungsvermögen (Empathie) ist eine der wichtigsten Kompetenzen, die MHFA Ersthelfer mitbringen sollten. Empathie bedeutet, das Verhalten des Betroffenen zu verstehen, ohne es zu bewerten oder zu verurteilen. Dies schafft eine Atmosphäre des Vertrauens und der Sicherheit, die notwendig ist, um die Person emotional zu erreichen. Eine nicht-verurteilende Haltung stärkt das Selbstwertgefühl des Betroffenen und zeigt, dass er oder sie akzeptiert wird – ein wichtiger Schritt, um den Menschen zu beruhigen und ihn zur Annahme von Hilfe zu ermutigen.
Grenzen der Hilfe durch Ersthelfer
MHFA Ersthelfer können in akuten Situationen wertvolle Unterstützung bieten, doch ihre Rolle ist auf die Ersthilfe beschränkt und ersetzt keine professionelle Therapie. Das Verständnis dieser Grenzen ist entscheidend, um einerseits realistische Erwartungen an die eigene Unterstützung zu haben und andererseits die betroffene Person nicht übermäßig zu belasten. Selbstverletzendes Verhalten ist oft Ausdruck tiefergehender psychischer Probleme, die eine professionelle Behandlung erfordern. MHFA Ersthelfer sollten daher erkennen, wann der Punkt erreicht ist, an dem weiterführende, fachliche Hilfe notwendig wird.
Die Bedeutung von professioneller Unterstützung
MHFA Ersthelfer sind häufig der erste Schritt auf dem Weg zur Besserung, doch eine nachhaltige Lösung für selbstverletzendes Verhalten kann oft nur durch Therapie und spezialisierte Hilfe erreicht werden. MHFA Ersthelfer können eine wichtige Brücke schlagen, indem sie Betroffene dazu ermutigen, professionelle Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Sie sollten sich selbst als Bindeglied sehen und den Betroffenen gegebenenfalls bei der Suche nach einem Therapeuten oder einer Beratungsstelle begleiten. Dieses Verständnis hilft MHFA Ersthelfern, mit der eigenen Rolle klarzukommen und sich nicht überfordert zu fühlen.
Schritte zur Deeskalation: Wie MHFA Ersthelfer helfen können
1. Ruhe bewahren und das eigene Verhalten kontrollieren
In einer Krisensituation, in der sich jemand selbst verletzt oder kurz davor ist, ist es für MHFA Ersthelfer wichtig, zuerst die eigene emotionale Stabilität zu sichern. Das Verhalten des Ersthelfers kann stark beeinflussen, wie sich die betroffene Person fühlt und auf die Situation reagiert.
- Selbstberuhigungstechniken: Bevor der Ersthelfer aktiv auf die betroffene Person eingeht, sollte er Techniken nutzen, um sich selbst zu beruhigen. Atemübungen, wie z. B. tiefes Ein- und Ausatmen im Rhythmus, können dabei helfen, einen klaren Kopf zu behalten.
- Vermeidung von Panik und impulsivem Verhalten: Panik oder sichtbare Unruhe beim Ersthelfer können den Betroffenen noch weiter beunruhigen. Ein ruhiges und kontrolliertes Auftreten vermittelt Sicherheit und zeigt, dass der Ersthelfer die Situation beherrscht.
2. Die Person ernst nehmen und zuhören
Ein zentraler Schritt in der Deeskalation ist es, die betroffene Person wahrzunehmen und sich aktiv auf sie einzulassen. Dies hilft, Vertrauen aufzubauen und dem Betroffenen das Gefühl zu geben, verstanden und nicht verurteilt zu werden.
- Aktives Zuhören: Hierbei geht es darum, nicht nur die Worte, sondern auch die Gefühle hinter den Aussagen zu verstehen. Techniken wie das Nicken, Paraphrasieren (z. B. „Du fühlst dich momentan sehr überfordert, richtig?“) und Bestätigungen wie „Ich verstehe“ zeigen, dass man wirklich zuhört.
- Verständnis zeigen, ohne zu urteilen: Es ist wichtig, keine Aussagen zu machen, die die Person beschämen oder ihr Handeln negativ bewerten könnten. Stattdessen sollten empathische Aussagen gewählt werden, die zeigen, dass der Ersthelfer die Lage nachvollziehen kann.
- Vermeidung bestimmter Ausdrucksweisen: Einige Aussagen können für die betroffene Person triggernd wirken und das Gefühl der Isolation verstärken. Vermeiden Sie Sätze wie „Das ist doch Unsinn“ oder „Warum tust du dir das an?“ Stattdessen besser neutral und offen fragen, wie z. B.: „Möchtest du darüber sprechen, was dich belastet?“
3. Klare, offene Kommunikation aufbauen
Eine respektvolle und wertschätzende Kommunikation schafft eine positive Basis für das Gespräch. Es hilft der betroffenen Person, sich sicher und anerkannt zu fühlen.
- Fragen, ohne Druck auszuüben: Fragen wie „Wie kann ich dir helfen?“ oder „Gibt es etwas, das dir in diesem Moment gut tun würde?“ vermitteln Unterstützung, ohne den Druck zu erhöhen.
- Wertschätzende Kommunikation: Vermeiden Sie Befehle oder drängende Aufforderungen. Ein ruhiger Tonfall und respektvolle Formulierungen können den Betroffenen ermutigen, sich zu öffnen.
- Tipps für respektvolle Formulierungen: Aussagen wie „Ich bin hier, um dir zuzuhören und zu unterstützen“ oder „Es ist in Ordnung, wenn du nur so viel teilst, wie du möchtest“ geben der Person die Kontrolle und zeigen Wertschätzung.
- Die Person ermutigen, über ihre Gefühle zu sprechen: Offene Fragen und sanfte Ermutigungen, über Emotionen zu sprechen, können dabei helfen, dass die Person sich wohlfühlt, ihre Gedanken und Gefühle auszudrücken.
4. Die Umgebung sicher machen
Je nach Situation kann es hilfreich sein, die Umgebung so zu gestalten, dass sie frei von gefährlichen Gegenständen ist, die für eine Selbstverletzung genutzt werden könnten. Hierbei ist jedoch Sensibilität gefragt, um das Vertrauen der betroffenen Person nicht zu verlieren.
- Gefährliche Gegenstände entfernen: Falls möglich, sollten potenziell gefährliche Objekte (scharfe Gegenstände, Feuerzeuge etc.) in der Nähe der betroffenen Person entfernt werden. Dies sollte unauffällig und ohne den Eindruck zu erwecken, dass die Person eingeschränkt wird, erfolgen.
- Sicherheitsabstände und Raum für die Person schaffen: Manchmal ist es hilfreich, einen respektvollen Abstand zu wahren und der betroffenen Person das Gefühl zu geben, dass sie Raum für sich selbst hat. Diese Distanz kann beruhigend wirken und die emotionale Sicherheit fördern.
5. Unterstützung anbieten, aber ohne Zwang
MHFA Ersthelfer sollten stets Hilfe anbieten, ohne jedoch Druck auszuüben. Es geht darum, die betroffene Person zu ermutigen und ihr Optionen zu geben, ohne sie zu einer bestimmten Handlung zu drängen.
- Optionen für Hilfe vorschlagen: Der Ersthelfer kann auf alternative Möglichkeiten hinweisen, wie z. B. ein Gespräch oder das Ausdrücken der Emotionen durch Schreiben oder Malen, um so die Anspannung abzubauen.
- Richtige Balance zwischen Nähe und Distanz: Das richtige Maß an emotionaler Nähe ist entscheidend. Die betroffene Person soll sich nicht bedrängt, aber auch nicht allein gelassen fühlen. Indem der Ersthelfer dem Betroffenen Raum lässt, gleichzeitig aber mitfühlend an seiner Seite bleibt, kann er eine unterstützende, vertrauensvolle Umgebung schaffen.
Professionelle Hilfe einbeziehen: Wann und wie?
Anzeichen, dass professionelle Unterstützung notwendig ist
MHFA Ersthelfer sollten sensibel auf Anzeichen achten, die darauf hindeuten, dass eine Situation die eigenen Möglichkeiten übersteigt und professionelle Hilfe erforderlich wird. Wenn die Person über intensive, unkontrollierbare Emotionen spricht, die sich durch Selbstverletzung nicht mehr bewältigen lassen, oder wenn das selbstverletzende Verhalten zunehmend schwerwiegender wird, sind das wichtige Signale. Auch wenn der Betroffene Gedanken äußert, die auf Suizidalität oder extreme Hoffnungslosigkeit hinweisen, ist das Hinzuziehen von Fachkräften unumgänglich.
Hinweise auf potenziell lebensgefährliche Situationen
In akuten Krisensituationen, in denen die betroffene Person stark gefährdet ist, sich ernsthaft zu verletzen oder gar suizidale Handlungen in Erwägung zieht, wird das Einbeziehen professioneller Unterstützung sofort notwendig. Anzeichen für eine lebensbedrohliche Situation sind unter anderem:
- Offene Suizidgedanken oder Pläne
- Verwendung von gefährlichen Gegenständen oder Substanzen mit erhöhter Verletzungsgefahr
- Extremes emotionales Leiden, das durch einfache Deeskalationsstrategien nicht mehr gelindert werden kann
In solchen Fällen sollte der Ersthelfer unverzüglich versuchen, professionelle Hilfe einzubeziehen, sei es durch den Kontakt zu einem Kriseninterventionsdienst oder die Benachrichtigung eines Therapeuten oder Arztes.
Kommunikation mit professionellen Stellen
Wenn professionelle Hilfe involviert wird, ist es wichtig, sorgfältig und respektvoll mit den Informationen umzugehen, die an diese Stellen weitergegeben werden. Dabei sollte der MHFA Ersthelfer nur die relevanten Informationen weitergeben, die für die Sicherheit und Unterstützung der betroffenen Person notwendig sind. Dies kann umfassen:
- Konkret beschriebene Handlungen oder Aussagen der betroffenen Person, die auf Selbstverletzung oder Suizidgedanken hinweisen
- Einschätzung des emotionalen Zustands (z. B. extrem verzweifelt, angespannt)
- Vorherige Selbstverletzungserfahrungen oder andere relevante Verhaltensweisen, falls bekannt und falls die betroffene Person dies erlaubt
Es ist ratsam, mit der Person offen über die Weitergabe dieser Informationen zu sprechen, um ihr Vertrauen zu bewahren. Der Ersthelfer könnte beispielsweise sagen: „Ich möchte sicherstellen, dass du die Unterstützung erhältst, die du brauchst. Dafür wäre es hilfreich, wenn ich bestimmte Informationen an die Fachkräfte weitergeben darf, damit sie dir gezielt helfen können.“
Unterstützende Rolle nach dem Einbeziehen von Fachpersonal
Auch nachdem Fachpersonal involviert wurde, können MHFA Ersthelfer eine wertvolle Rolle als emotionale Unterstützung und Begleiter spielen. Hier einige Möglichkeiten, wie diese Unterstützung aussehen kann:
- Begleitung der Person in die richtige Betreuung: Ein MHFA Ersthelfer kann die Person, wenn möglich, zu einem Termin bei einem Therapeuten oder einer Klinik begleiten oder zumindest anbieten, sie beim Einleiten der Behandlung zu unterstützen. Diese Begleitung kann Ängste und Unsicherheiten mildern.
- Rückhalt anbieten: Auch nach der Einbeziehung professioneller Hilfe sollte der Ersthelfer signalisieren, dass er weiterhin als unterstützende Ansprechperson verfügbar ist. Einfache Aussagen wie „Ich bin hier für dich, wenn du sprechen möchtest“ oder „Ich werde weiterhin für dich da sein“ können das Gefühl der Sicherheit und des Vertrauens stärken.
- Ermutigung zur kontinuierlichen Inanspruchnahme professioneller Hilfe: Der Ersthelfer kann die Person positiv bestärken, den Weg der professionellen Hilfe zu verfolgen, und auf die langfristigen Vorteile einer Therapie hinweisen, ohne dabei Druck auszuüben.
Indem MHFA Ersthelfer die Person behutsam in professionelle Hände übergeben und als ergänzende Stütze agieren, tragen sie dazu bei, dass sich die betroffene Person geborgen und unterstützt fühlt – ein wichtiger Schritt zur Stabilisierung und zur langfristigen Bewältigung ihrer Situation.
Wie man als MHFA Ersthelfer selbst Hilfe findet
Selbstpflege und emotionale Stabilität
MHFA Ersthelfer stehen oft vor emotional intensiven Situationen, die ihre eigenen Ressourcen beanspruchen. Um langfristig in der Lage zu sein, anderen zu helfen, ist es wichtig, sich selbst gut zu pflegen und auf die eigene emotionale Stabilität zu achten. Selbstpflege umfasst verschiedene Aktivitäten und Gewohnheiten, die dabei helfen, Stress abzubauen und das seelische Gleichgewicht zu wahren. Dazu können zählen:
- Regelmäßige Pausen und Entspannungsübungen: Achtsamkeitsübungen, Meditation und Atemtechniken helfen dabei, nach belastenden Einsätzen zur Ruhe zu kommen.
- Gesunde Routinen etablieren: Ein ausgewogener Lebensstil mit ausreichend Schlaf, gesunder Ernährung und regelmäßiger Bewegung unterstützt die emotionale und körperliche Resilienz.
- Grenzen erkennen und setzen: Es ist wichtig, sich selbst realistische Grenzen zu setzen und diese zu wahren. Ein gesunder Abstand zur emotionalen Belastung der Fälle, die MHFA Ersthelfer erleben, ist entscheidend, um nicht selbst überlastet zu werden.
Die Bedeutung von Selbstfürsorge nach einem solchen Einsatz
Nach einer intensiven Erfahrung im Umgang mit jemandem, der selbstverletzendes Verhalten zeigt, ist Selbstfürsorge besonders wichtig. Emotionale Nachwirkungen können Ersthelfer über Tage oder sogar Wochen begleiten. Selbstfürsorge bedeutet hier, sich bewusst Zeit für Erholung zu nehmen und eigene Bedürfnisse ernst zu nehmen. Dazu gehört, die eigenen Gefühle und Reaktionen wahrzunehmen und sich gegebenenfalls Unterstützung zu holen, wenn die Erlebnisse anhaltend belasten.
- Gefühle reflektieren: Nach einem Einsatz kann es hilfreich sein, sich bewusst mit den eigenen Gefühlen auseinanderzusetzen und sie einzuordnen. Schreibübungen oder Tagebucheinträge sind gute Methoden, um Gedanken zu klären und emotionale Last abzubauen.
- Offene Gespräche führen: Familie oder Freunde können dabei helfen, über Erlebtes zu sprechen und eine neue Perspektive zu gewinnen. Auch kleine Gespräche über den Tag oder angenehme Aktivitäten mit vertrauten Menschen helfen oft, das Erlebte zu verarbeiten.
Austausch und Supervision
Für MHFA Ersthelfer kann der Austausch mit anderen Gleichgesinnten und/oder professionellen Fachleuten eine wertvolle Stütze sein. Der Kontakt zu anderen, die ebenfalls in der Rolle des Ersthelfers tätig sind, ermöglicht es, Erfahrungen zu teilen, voneinander zu lernen und mögliche Belastungen abzufedern.
- Austausch mit anderen MHFA Ersthelfern: Gesprächsgruppen oder Workshops für MHFA Ersthelfer bieten die Möglichkeit, Erlebnisse in einem geschützten Raum zu besprechen. Dies fördert den Zusammenhalt und das Gefühl, nicht allein zu sein. Manchmal können auch kleine Tipps und Einblicke anderer Ersthelfer dazu beitragen, eigene Belastungen zu reduzieren und neue Ansätze für die Unterstützung Betroffener zu entwickeln.
- Psychologische Supervision in Anspruch nehmen: Besonders nach herausfordernden Einsätzen kann es hilfreich sein, sich in professionellen Supervisionssitzungen von einem Psychologen oder Berater unterstützen zu lassen. Supervision hilft dabei, schwierige Erlebnisse zu reflektieren, die eigene Rolle und die damit verbundenen Belastungen zu verarbeiten und Bewältigungsstrategien für zukünftige Situationen zu entwickeln.
Fazit
Die Rolle als MHFA Ersthelfer kann emotional herausfordernd sein, aber durch Selbstpflege und gezielten Austausch können Ersthelfer ihre eigene Belastbarkeit stärken. Regelmäßige Selbstfürsorge, die Reflexion eigener Grenzen und der Austausch in einem unterstützenden Netzwerk bilden die Basis dafür, langfristig in dieser Rolle tätig zu sein und weiterhin anderen Menschen in Krisenmomenten zur Seite stehen zu können.
Fazit
Selbstverletzendes Verhalten ist ein sensibles Thema, das sowohl Betroffene als auch diejenigen, die Unterstützung bieten, emotional fordert. MHFA Ersthelfer spielen eine wichtige Rolle, indem sie in Krisensituationen deeskalierend eingreifen und den ersten Schritt zu weiterer Hilfe ermöglichen. Dabei kommt es auf ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen, klare Kommunikation und das Verständnis der eigenen Grenzen an. Selbstberuhigungstechniken, aktives Zuhören und wertschätzende, respektvolle Kommunikation helfen den Ersthelfern, eine Atmosphäre des Vertrauens und der Sicherheit zu schaffen.
Ein zentraler Aspekt der MHFA Unterstützung besteht darin, die Grenzen der eigenen Hilfe zu erkennen und zu wissen, wann professionelle Unterstützung notwendig ist. Selbstverletzendes Verhalten ist oft Ausdruck tieferliegender Probleme, die in der Regel eine therapeutische Behandlung erfordern. MHFA Ersthelfer bieten wichtige Erste Hilfe und sind oft der erste Schritt in Richtung Genesung für die Betroffenen.
Appell an die MHFA Ersthelfer
An alle MHFA Ersthelfer: Es ist wichtig, die eigene Rolle klar zu definieren und nicht zu versuchen, über die eigenen Kompetenzen hinauszugehen. Die Aufgabe besteht nicht darin, therapeutische Arbeit zu leisten, sondern die betroffene Person in einer akuten Krise zu stabilisieren und bei Bedarf in die richtigen Hände zu übergeben. Diese Abgrenzung schützt sowohl die Betroffenen als auch die Ersthelfer vor Überforderung und ermöglicht langfristig eine nachhaltige Unterstützung.
Mit Einfühlungsvermögen, klarer Kommunikation und Selbstpflege können MHFA Ersthelfer entscheidend dazu beitragen, dass Menschen mit selbstverletzendem Verhalten Unterstützung erfahren, die sie in eine positive Richtung lenkt. Indem sie ihre eigene Rolle und deren Grenzen akzeptieren, sorgen sie für eine sichere, unterstützende Begleitung und bewahren ihre eigene emotionale Stabilität.